Als Kind habe ich leidenschaftlich Briefmarken gesammelt. Begonnen hat es mit einem schön beschriebenen Umschlag, den ich meinem Großvater abgebettelt hatte. Interessant war die nicht lesbare Schrift, aber noch viel interessanter die Marke, auf der "300 Millionen" stand. Sie wurde abgelöst und kam unter eine Glasplatte in der obersten Schreibtischschublade und jeder Gast meiner Eltern durfte sich erst hinsetzen, nachdem die Marke ausreichend gelobt worden war. Durch die darauffolgenden Mitbringsel wurden es in kürzester Zeit so viele Marken, dass sie unter der Glasplatte auch bei durchdachtester Anordnung keinen Platz mehr fanden. Zu Weihnachten kam dann endlich das ersehnte Briefmarkenalbum. Es war im A5-Format, und nachdem ich alle Marken von der Lade ins Album umgeschlichtet hatte, war es voll. Schon da gab es eine Ordnung: nach Ländern, der Wert aufsteigend.
Mit den nächsten Alben folgten auch die ersten Bestimmungskataloge. Deren Systematik nach Jahrgängen und interner Nummer war sehr einleuchtend, machte aber schrecklich unzufrieden, weil ich plötzlich nicht mehr sehr viele Marken hatte, sondern nun vor allem die fehlenden Marken überdeutlich auffielen. Ich wollte sie alle haben, kompromisslos alle. Ein Beleg dafür, der mich heute noch zum Schmunzeln bringt, ist ein Schuhkarton, der bis oben hin mit der "Grausamen Rosalia" gefüllt ist. Jede sauber abgelöst - in einer Klarsichthülle jene mit besonders schön lesbaren Stempeln. Dann kam die Zugsammlung. Der Mann einer Großtante hatte eine sehr große Markensammlung geerbt, die sich ausschließlich mit dem Thema "Zügen" beschäftigt. Schon bald war diese Sammlung die meine und ich völlig ratlos, was damit zu tun sei. So belassen? Zerrupfen und in meine Sammlung integrieren? "Briefmarken" war DAS große Thema. Das "Was ist Was"-Buch zum Thema hatte ich so oft durchgeblättert, dass es komplett zerfleddert ist. Irgendwann in der Unterstufe fand ich dann beim Spielen im Wald mehrere alte Kupfermünzen und schlagartig waren Briefmarken kein Thema mehr, Münzen waren das einzig Wahre. Egal wann und was ich gesammelt habe, einige Aspekte waren immer gleich:
Durch das Ding kommt der Bezug zur Zeit. Wenn ich von einer Rechnungssumme von mehreren Talern lese, nehme ich es hin. Wenn dann aber ein, zwei Taler dieser Zeit/Region vor mir liegen, entsteht ein Bild. Wenn ich von rationierten Nahrungsmitteln lese, denke ich höchstens: „Klingt unpraktisch!“. Wenn ich dann aber ein Kochbuch aus der Zeit durchblättere, in der angeleitet wird, wie man mit den zugeteilten Lebensmitteln haushalten kann, wird es plötzlich interessant. Wenn ich von einem lokalen Freiheitskampf lese, denke ich „Nix neues.“ Wenn ich dann aber einen Brief lese, in dem der Kommandant schreibt: „Ich weiß, dass du drei Gewehre hast, gib eines davon für unsere Sache!“ bin ich wieder aufmerksam. Daran schließt nahtlos die zwischenmenschliche Komponente an, wenn das Wissen geteilt wird, die Objekte für den Unterricht oder Ausstellungen zur Verfügung gestellt werden, Informationen werden ausgetauscht, bei Tausch/Kauf Kontakte mit Gleichgesinnten geknüpft.
Gerade das Sammeln von Büchern hat eine lange Tradition. Erst vor kurzem habe ich gehört, dass Sotherby’s anfänglich ausschließlich Bücher versteigert hat. Es klingt banal, aber Bücher haben nun mal eine zweite Dimension. Sie sind schöne Objekte, handwerklich aufwendig hergestellt, riechen gut. Aber sie sind zugleich auch voller Ideen. Kurz: Ein Buch kann man anschauen und man kann es lesen. Altes Porzellan kann man wohl auch benutzen, es vermittelt aber eher nicht die gleichen Einblicke. Ein anderer Aspekt ist, dass Bücher schlicht unterbewertet sind. Wenn jemand bereit wäre 1000 Euro in ein Buch zu investieren, spielt er damit schon recht weit vorne mit - für 1000 Euro in einer Gemäldegalerie nicht so weit vorn.
Alsdann: Warum sammelst du (Bücher)? Und wie sammelst du (Bücher) - Ära, Region, Einband, Autor, Thema, ...?